Sonntag, 6. November 2016

Neulich in Deutschland...

Dieser Artikel ist nicht geeignet für Leserinnen und Leser, denen politisch inkorrekter Humor Unbehagen verursacht. Bitte halten Sie Abstand und gehen Sie an der kalten Luft spazieren. 

Blick auf den Watzmann
Ein freundlicher Tag im Spätherbst. Eine ländliche Region in den Berchtesgadener Alpen. Eine Gruppe junger Menschen macht sich auf den Weg zum Gipfel. Zwei Rucksäcke, acht Liter Wasser, drei Packungen Müsliriegel, zehn Beine, fünf Gesichter, eines davon gehört mir. So weit, so normal.

Über die restlichen vier Gesichter wisst ihr bisher nichts. Wie sehen sie aus in euren Köpfen?  Lächelnde weiße Zähne vor Bergpanorama? Karierte Outdoor-Bluse küsst Edelweiß? Stramme, helle Waden in abgewetztem Meindl-Schuh? Irgendwelche Auffälligkeiten? Nein? Weit getäuscht. Es gibt nämlich Auffälligkeiten. Zwei Stück sogar. Die Auffälligkeiten heißen Barakat und Emanuel, kommen aus Eritrea, tragen keine karierten Outdoor-Blusen und ihre Gesichter sind schwarz. Mal sehen, was da wohl der Bayer zu sagt!


Am Anfang der Tour begegnen wir vielen karierten Tagesausflüglern, die vom touristisch überlaufenen Königssee herüber geflüchtet sind. Viele grüßen freundlich. „Griast eich“, lacht Barakat in perfektem bayrisch zurück. Ich murmle‘ nur „Servus“. Das geht mir leichter über die Lippen und ich fühle mich mit meinem ungerollten „r“ nicht gleich als Preuße* ertappt (*bayrisch = Mensch, nördlich der Donau lebend).



Manche Königssee-Flüchtlinge grüßen nicht so freundlich, sondern schauen irritiert in die schwarzen Gesichter von Barakat und Amanuel. „Pah, irritiert!“, denkt sich jetzt der liberale Leser und schimpft: „Die Bayern wieder!“. Aber. Seien wir doch mal ehrlich. Als wir zu Beginn der Geschichte an die vier Gesichter vor Bergpanorama gedacht haben: keines davon war schwarz, oder? Um den Stereotyp in meinem Kopf zu überprüfen Google ich: „Wanderer Alpen Bilder“. Alles fast lupenreine Arier, die einem da zulächeln. Wer rechnet da schon mit einem Schwarzen – und das noch in der Nähe vom Obersalzberg!

Wir lassen uns von den irritierten Blicken nicht bremsen und marschieren frohgemut voran. Schließlich gilt es noch 1000 Höhenmeter bis zum Gipfel zu überwinden. An einer Weggabelung wissen wir nicht weiter. Im Zweifel immer Bergauf, sagt Anna. Zur Sicherheit überprüfen wir die Karte. Von hinten nähert sich über eine Brücke vorsichtig ein Pärchen mit Hund, das wir noch vor kurzer Zeit überholt hatten.

„Griast eich!“, rufe ich jetzt von der frischen Bergluft angestachelt schon mutiger und Barakat kichert. „Servus“, sagt auch er. Das Pärchen nickt zurück und redet dem Hund gut zu. Ich sage: „Hat der Hund Angst vor der Brücke?“ Die Frau schaut erst Barakat und Emanuel an, dann mich und streicht dem Labrador beruhigend über den Kopf. „Feeeein.“ 
„Na“, antwortet der Mann für sie. „Es is nua... der Hund. Er hod nu nia wen mid dunkla Haud gseng... Und dann hamma uns dacht, mia schaun erst moi wia er reagiert."

 „Ach“, sage ich. Dann frage ich mich, ob ich im falschen Film bin. Ich bleibe mir eine Antwort schuldig. Ob der Hund schon mal einen Preußen gesehen hat? Ich schaue zu Emanuel. Frage mich, ob sein Wortschatz die Vokabel „dunkelhäutig“ enthält und ob er den Bauern, äh Bayern verstanden hat.

„Woaßt, ois a nu kloa war, der Hund. Da hamma erm ois zoagt. Ois Welpe. Aba jetzt [sucht peinlich berührt eine Weile nach einem politisch vertretbaren Wort] an D-u-n-k-e-l-h-ä-u-t-i-g-e-n hod er nu nia gseng. Da hamma uns dacht, mia schaun erst moi wia er reagiert...“ Weder mir, noch Anna fällt etwas dazu ein. Wir schweigen ähnlich laut wie die trockenen Müsliriegel in unseren Rucksäcken. „Feeeeein“, streicht die Frau dem Hund weiter über den Kopf.  Der Hund, der alte Rassist. „Na ja“, sagt die Frau jetzt zuversichtlicher und zeigt auf das ahnungslose Fellknäuel, „sei Mama war jo a dunkel. Von dem her kennt as vielleicht scho a wengal.“ „Achsooo“, sage ich. 

„Pfiats eich“, sagt Emanuel zum Abschied. Auf Hochdeutsch heißt das „Es behüte euch Gott!“. Na ja, ob es da noch was zu behüten gibt?

Blick auf Barakat und Alpenpanorama

A.d.R.: Eigentlich wollte ich diesen Text „Neulich in Bayern“ nennen. Aber dann dachte ich: „Nä. Nicht wieder sämtliche Klischees vom Hinterwäldler-Bayern bedienen, der denkt, dass der Preuße denkt, er sei ein Bauer.“ Denkt der Preuße ja übrigens auch gar nicht. Ist ja auch kein Preuße nicht, der Preuße. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass sich die gleiche Geschichte auch in der Pfalz oder im Schwarzwald abspielen könnte – von der sächsischen Schweiz ganz zu schweigen. Wir können also nur hoffen, dass sich der deutsche Hund im Zuge der Willkommenskultur bald an unterschiedliche Hautfarben von Menschen im Land gewöhnt. Der Rest ist dann ein Kinderspiel.


Danke, Anna, für's Übersetzen. Bis mein bayrisch dafür langt, muss ich noch ein paar Mal mit euch kraxeln gehn!

1 Kommentar:

  1. Der gemeine Westerwälder reagiert im speziellen auch besonders. Oft irritiert.

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