Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, ich gäbe mir nie
besonders viel Mühe mit meinem Äußeren. Es wäre aber auch gelogen, wenn ich
behaupten würde, ich würde nie im Jogginganzug und Out-of-bed-look das Haus
verlassen. Die meisten Tage enden wohl, wie fast alles im Leben, im Kompromiss.
Man gibt sich also besonders viel Mühe und sieht trotzdem so aus, als würde man
im Out-of-bed-look das Haus verlassen.
Eine provokante These: je schöner die Kellnerin, umso
leichter der Trinkgeldverdienst. Für mich heißt das: Schadensbegrenzung
betreiben. Kontaktlinsen statt Brille, Schminken statt Out-of-bed. Schöne
Ohrringe als Kontrast zur pipigelben Uniform. So gehe ich also abends meist nett
zurechtgemacht, fast adrett und fein frisiert aus dem Haus, bereit für das alltägliche
Freundlichkeitsdrama der trinkgeldorientierten Biergartenprostitution.
Gestern war es anders. Ich verzichtete auf Schminke zugunsten von
Sonnenbrand-kühlendem Aloe Vera und stecke die vom Freibad noch gechlorten
Haare nur kurz nach hinten - damit man dem Feind ins Auge blicken kann. Wie immer
führte mich mein Weg zwei zerlebten Obdachlosen vorbei. „Moin“,
sagt der eine. „Hallo“, antworte ich im Vorbeigehen. „Heute hat se sich ma‘ gekämmt“, murmelt der andere mir hinterher, „sonst sieht se ja
eher immer so zerzaust aus.“
Ich widerstand dem Drang mich umzudrehen, bog um die Ecke und dachte: so ist es, mit dem lieben Leben und der Liebesmüh, der Vergebenen. Auch das Trinkgeld hat gestimmt, an dem Abend.
Ich widerstand dem Drang mich umzudrehen, bog um die Ecke und dachte: so ist es, mit dem lieben Leben und der Liebesmüh, der Vergebenen. Auch das Trinkgeld hat gestimmt, an dem Abend.
So hört sich das noch viel netter an. Die Beiden haben ein wachsames Auge. Auf Alles.
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