Dienstag, 9. November 2010

Córdoba, Madrid und der Herbst


Wir schreiben ein geschichtsträchtiges Datum - der 9.11. Reichsprogromnacht, Attis Geburtstag und Regen in Sevilla. Da ich also eh nicht auf die Dachterasse gehen kann um die Sonne zu genießen nutze ich die Zeit um euch gemütlich etwas über meine letzten Tage hier zu erzählen. Ich war viel unterwegs (wie der Überschrift zu entnehmen) und habe einiges erlebt (in 20 oder 2 Jahren sieht man sicher die Spuren davon in meinem Gesicht!) Ich erzähle also Geschichten aus Córdoba und einem ganz wundersamen Bauwerk, der Moschee-Kathedrale, Eindrücke aus Spaniens Hauptstadt Madrid und warum ich froh bin nicht dort gelandet zu sein,  wie ich meinen Rucksack verlor und am Ende doch alles gut wurde und was passiert, wenn man in Spanien krank wird und eine Apotheke besucht. Viel Spaß beim Lesen.


 Am Wochenende also war ein Feiertag, Allerheiligen. Sonntags. Der Deutsche stöhnt und ätzt - wieder so ein Arbeitnehmerunfreundliches Jahr, in dem alle Feiertage aufs Wochenende fallen. Der Spanier freut sich. Liegt der Feiertag nicht passend, macht man sich das halt. Also bleibt Gott und die Welt einfach dann Montags im Bett und feiert Allerheiligen nach... oder erholt sich von den Nachwirkungen von Allerheiligen - man weiß es nicht so genau. Fakt ist: der Montag war frei und ich wollte gerne etwas unternehmen. Es ist ja kaum zu glauben, aber so langsam wird auch Sevilla für mich Alltag. Den Weg zur Uni laufe ich verpennt, die Gemütlichkeit an der Supermarktkasse nehme ich gelassen hin, aufs Busfahren verzichte ich mittlerweile ganz und um sich wieder und wieder an der Tapaskunst der Spanier zu erfreuen fehlt mir dann noch der Lottogewinn oder die Pokerkunst...  Alltag also und da wollte ich raus. Mit drei Mädels entschied ich mich dann den gewonnenen Feiertag in Córdoba zu verbringen. Eine Kleinstadt im Nordosten Sevillas. 300.000 Einwohner, berühmt für seine reicht dekorierten Patios und die Mezquita. Wir wagten uns also an etwas Kultur heran. Zunächst mal ein paar Eindrücke aus der wirklich wunderschönen Stadt. 
Im Judenviertel - schmale Gässchen, viele Touristen....

...und jeder Menge Charme...

Kirche mit Orangenbäumen im Innenhof

Rot und Gelb die Häuser, Blau der Himmel. Bienvenidos a Espana!

Ein ganz normales Wohnhaus. Obacht, Verkehrsberuhigt!

Impresseionen. Fenster überbewertet. Zuviel Licht. Mauern wir zu.

Erinnert an den Plaza Mayor in Madrid. Ist aber in Córdoba. So um 17 Uhr. Mit Abendstimmung, Bier und jeder Menge Geplappere. Wunderschön.



Gut, soviel zu Córdoba, kommen wir nun zum Herzstück der Stadt. Der Mezquita. Festzuhalten ist vorneweg, dass ich bisher schon viele Kirchen gesehen hab - meist Prunkvoll und gold glitzernd, meist groß und meist fühlt man sich einfach klein und unterwürfig und hat das Gefühl man ist auf dem Weg zum Henker bei all den Figuren, die einen mit leidendem Blick von den Wänden anstarren. Kurzum: Beeindruckt bin ich immer, Gefallen daran finde ich selten. Die Mezquita war da anders. Die ersten Steine für die Moschee wurden 748 gelegt und man erweiterte das Bauwerk kontinuierlich, jeder Herrscher wieder nach seinem Gutdünken bis eine Fläche von 23000m² entstand. (Das sind locker 2 Fußballfelder) Die Decke wird von 856 Säulen gehalten, die Dattelpalmen symbolisieren sollen und von warmen Licht angestrahlt tatsächlich den Eindruck von Wärme, Wüste und Frieden vermitteln.


Das Gebäude strahlt eine solche Ruhe aus, man könnte sich hinsetzen und einfach nur auf die Säulen starren. Mir vermittelte die Größe und Symmetrie des Bauwerks den Eindruck als würde ich in einen Spiegel gucken und hinter mir sei ein Spiegel - ihr kennt den Effekt? Ich war also begeistert. 
Kommen wir nur zum verrückten Teil der Moschee - nämlich der Kathedrahle. Wie breits schon häufiger erwähnt, gabs ja in Spanien im Laufe der Jahr so ziemlich alles an Herrschern und Religionen, was man sich vorstellen kann. Als also im Jahre 1236 nach der Rückeroberung des Landes das Christentum wieder die vorherrschende Religion war, gab  im 16 Jh. König Karl I GEGEN den Willen des Stadtrats von Córdoba den Befehl den Mittelpunkt der Moschee herauszureißen und eine Kathedrale hereinzusetzten. Und so geschah es. Sieht natürlich Kacke aus: Frieden, Dattelpalmen und Wärme der Moschee, durchbrochen von glitzernden Goldfiguren und einem prunkvollen Glitzer-Alter. Karl kommentierte völlig zurecht: "Ihr habt etwas gebaut, was ihr oder andere überall hätten bauen können, aber ihr habt etwas weltweit Einmaliges zerstört." Ja, Depp. Hätte er sich vorher überlegen können. Und jetzt zitiere ich noch den Lonely Planet, der zur Moschee-Kathedrale sagt: "Wer sich das Gesamtbauwerk als Kathedrale denkt, für den gibt der Wald aus Säulen und Bögen ienen prächtigen Rahmen für die Bauten in der Mitte ab. Wer sich aber eine Moschee denkt, dem zerstren die christlichen Ergänzungen das ganze Bild." Mein Lieblingsreiseführer triffts mal wieder auf den Punkt. Zusammenfassgefasst: eines der schönsten und verblüffendsten Bauwerke, die ich bisher auf meinen Reisen sehen konnte.

Aus Zeitgründen erzähle ich nicht weiter von Córdoba, obwohl ich auch noch von der Synagoge berichten könnte (Zitat Theresa: Heut haben wir alle drei großen Weltreligionen durch). Stattdessen erzähle ich euch noch von meinem unglaublichen Glück, was mir letztens wiederfuhr, bevor wir uns zusammen die Hautpstadt und ihr Nachtleben anschauen. Obacht:
Mittwochabend, Lena auf dem Heimweg, verliert ihre Tasche. Mit von der Partie: Kreditkarte, Handy, neue Schuhe, Sevicikarte (...). Lena - Panik: ein alter, dicker Mann nimmt mich an der Hand und zerrt mich zu zwei verschiedenen Polizeibüros, ich soll Anzeige machen. Die Polizisten gucken mich hilflos an: "Quieres beber agua?" (Warum wollen mir immer alle Leute Wasser anbieten, wenn ich verzweifelt bin? Haben die zuviel Fernsehen geguckt oder was?) Dann kommt noch die Frau von dem alten, dicken Mann und ein junger, dünner Mann und alle geben mir in schnellstem Spanisch Ratschläge, stellen Fragen und wollen mich trösten. Zuviel für mich, ich breche einfach mal in Tränen aus. Gut, das erledigt: nix wie heim: Kreditkarte sperren, Handy sperren (...) Mein anderes Handy (in dem meine deutsche Simkarte ist, was aber nur sporadisch funktioniert) vibriert. Neue Nachricht Dennis. Jetzt lesen? Si. "Ich hab mit dem Mann telefoniert, der deine Sachen hat. Ruf mich an." Das Ende vom Lied: ich hab alle meine Sachen am nächsten Tag bei einem älteren Ehepaar abholen können, ohne, dass sie irgendwas davon angerührt hätten. Und sie fanden mich so nett, ich soll doch mal wieder vorbeikommen, dann könnten wir zusammen einen Wein trinken. Ach, es war unglaublich. Da wird meine Schusseligkeit von anderleuts Gutmütigkeit kompensiert. Und das mitten in Spanien, wo man sogar um 40cent beim Kauf einer Ananas beschissen wird... Also einen herzlichen Dank nochmal an alle Mitwirkenden, besonders in die Jakobstr. Trier und den spanischsprechenden Mitbewohner... Ende der Anekdote.

Am nächsten Tag bin ich dann gleich zum Busbahnhof gegangen und hab mir ein Ticket nach Madrid gekauft. Hin und zurück - hauptsache mal weg aus dieser Stadt "ich werde hier ja noch verrückt!", dachte ich. In Madrid habe ich María besucht, die gleichzeitig Besuch von Sabine, Nicole und Mercedes hatte. Die vier kennen sich von ihrem Jahr als pädagogischer Austauschdienst in Frankreich und ich kenne sie, weil sie oft in Trier in der Karl-Marx-Str. zu besuch waren. 
Lena, Sabine, George Clooney, Maria, Nicole, Brad Pitt, Mercedes. Was ein Zufall!
Ich sag mal: viel Kultur haben wir nicht gerade gemacht - es war also gut, dass ich letztes Jahr 4 Tage in Madrid war um festzustellen, dass der Prado langweilig ist, die Stadt unheimlich laut und die Straßen mit ihren wunderschönen Altbauten prachtvoll von einem Ende ans andere von Madrid führen. Wir haben uns also mehr aufs Feiern konzentriert - das hat aber auch gut geklappt. Was ich mich frage: wie können die Leute hier leben bei Preisen wie Cola - 5€, belegtes Brötchen 4€ (...) Naja, wir haben also nachts gefeiert und uns tagsüber einfach etwas durch die Straßen getrieben. Gebäude geguckt, Kaffee getrunken und den Herbst im Retiro Park genossen - mein Favourite. Endlich mal klare, frische Luft, herbstliche Bäume... ich war verzückt. Seht selbst.
Blick zur Gran Vía

Madrid

Retiro Park im Herbst

Die Grazien im Park

Herbst in Madrid

Herbst im Retiro Park

Sabine, Maria, Mercedes, Lena




























Außerdem waren während des Wochenendes noch die MTV European Musica Awards in der Stadt. Was für uns bedeutet hat: gratis Konzerte von berühmten spanischen Künstlern. "Berühmte spanische Künstler" bedeutet hier jedoch nicht gleich "gute Musik". Um es kurz zu fassen: Sabine, Nicole und ich (die Ausländer) waren entsetzt, wie schlecht diese doch zum Teil sehr grotesken und schrägen Performanzen der Künstler ausfielen. Von der Gothic-Tante, die mit Akkordfolgen und 4/4 Takt, die beim Festival der deutschen Volksmusik nicht anders ausgefallen wären, versucht ihr schwarzes Latexkostüm in Szene zu setzen bis hin zum Surferboy (Ende 30), der in Californien wohnt, aber natürlich trotzdem stolzer Spanier ist, und nur von Amor und Besos singt. Eine schräge Mischung aus Eros Ramazotti und Pur. Und das verrückte: alle gehen ab. Junge und alt, Männlein, Weiblein. Ich weiß nicht, ob es eher Fremdscham war, der sich in mir breitmachte oder doch Estaunen darüber, welche Feierkultur wohl allen Spaniern inne ist.... na ja... 

Hier rechts seht ihr noch einen großen Markt, den wir am letzten Tag besucht haben, nachdem Sabine und Nicole schon wieder mit RyanAir gen Deutschland unterwegs waren. Klamotten, Rucksäcke, Elektronikkrams, Essen, man kann alles kaufen, noch vielmehr sehen und am meisten staunen. Über Gedränge, Preise (sowohl hoch als auch tief) und z.B. auch über Hitlers "Mein Kampf", das man für einen Spottpreis von 10 Euro erwerben konnte (in Córdoba übrigens auch). Man könnte ja so fast seinen Auslandsaufenthalt finanzieren. Hier auf dem Markt die Bücher kaufen und dann schön nach Deutschland weiterverkaufen... es ist unfassbar. 

Ok... meine Bilder sind am Ende und ich auch, denn gleich muss ich zur Uni. Zwei kleine Geschichten gibts noch zum Cool-Down:
1.) Esther hat sich einen Adventskalender gekauft, sich beschwert, dass Türchen 25-30 fehlt und dann aus Protest gleich mal alles aufgegessen: "Blöde Kultur mit diesen Adventskalendern!" Herrlich. Herr-lich.
2.) Ich bin krank und war in der Apotheke. Ich brauche was gegen Halsschmerzen, Husten und fürs Immunsystem. "Paracetamol hätten wir da. Oder ein Antibiotikum, aber da müssen sie zum Doktor gehen." Die behandeln allerdings keine Privatpatienten. Hier sind nämlich die Kassenpatienten die Kings und die Privatversicherten die gelackmeierten. Gut, Paracetamol vertrag ich nicht, der Arzt wird mich nicht behandeln, ich lutsch einfach mal ein paar Em-Eukal und geh heute Abend früh ins Bett. Ich weiß nicht, ob ihr das jetzt auch lustig findet... aber da könnte ich ja sogar in der Apotheke besser beraten. Das gibt mir zu denken. Ich bin zuviel krank. Paracetamol oder Antibiotikum... PARACETAMOL ODER ANTIBIOTIKUM!!!

Husten, Schnupfen und Heiterkeit aus Sevilla. 
Lena freut sich über Herbst, Wind und kalte Luft!

Saludos und Besitos a todos!

PS: Mal wieder keine Zeit zum Korrekturlesen. Vllt überarbeite ich in den nächsten Tagen nochmal. Bis dahin vergebt mir sämtliche Ungereimtheiten, die in meinem Kopf entstanden sind, sowie Tipp - und Rechtschreibfehler. 

4 Kommentare:

  1. Der Vollständigkeit halber und weil ich auch mal klugscheißen will:
    9.11.1989 Fall der Berliner Mauer
    und aus geheimen Quellen weiß ich, dass an diesem Tag das Marienberger Schwimmbad abgebrannt ist ;)

    Que te mejores!

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  2. Nur deutsche touris kaufen cola fuer fuenf euro - ich kann dir hundert orte sagen wo du ein riesen schinken baguette fuer 1 euro bekommst ;) ich sag nur: broetchen und halber liter bier - 2 euro. recht geben muss ich dir aber mit dem insgesamten leben: sobald du etwas mehr willst als bier und tapas, is madrid unglaublich teuer... nur gut dass die ganzen kinder hier englisch lernen wollen und nachhilfe brauchen ;) gruss von neben dem retiro park M)

    Flo

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  3. Ja gut, ich wìll mich ja auch nicht als temporaerer Madrileno bezeichnen wie du... Flo. ;) (Die fuenf Euros waren in ner Disse auch.) Naechste mal zeigste mir dann einfach die groovigen Locations! Bin auch um den Retiro herumgeschlendert um hab mich gefragt hinter welchem Fensterchen wohl dein Bett steht. Christian hatte naemlich erzaehlt dass du da wohnst. Schone Gegend!

    Also naechste Mal besseres Timing, capitano!

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  4. Und du trägst Jeans in Stiefeln, ich kann es kaum glauben ;)
    Ich komme btw gerade aus Schweden, habe dem ersten Schnee Hallo gesagt und mich einmal mehr gewundert, wie die Sonne so schön am Himmel lachen kann und die Wärme aber dann doch nur nach Spanien schickt...
    Elisa

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