Samstag, 20. November 2010

Dorffest in Jabugo - Lena mittendrin


Samstagmittag, der Regen prasselt ans Fenster, ich muss nicht zur Uni und mache mir einen Lauen. Nach einer langen Fiestanacht wurde ich sanft um 7.30 von einem schnurrenden Presslufthammer aus dem Schlaf geküsst, sitze jetzt hier schön mit einem warmen Tee und meine Füße und Beine können sich an einer typisch spanischen Heizung wärmen: Ein Tisch, unter den Heizspirale gestellt wird und obendrüber hängt man eine dicke Decke, die warme Luft bleibt unter dem Tisch gefangen und so bekommen sogar mal die Frauen warme Füße... So sitze ich hier und erzähle euch nun die Geschichte, wie meine Mitbewohnerin mich mit mitnahm in ihr 1200 - Seelendortf zum Straßenfest...
Da klingelte also heute vor einer Woche der Wecker, 7:00Uhr - ich dachte ich spinne. Ich kann mich gar nicht erinnern zuletzt zu dieser Zeit aufgestanden zu sein. Dafür ist der Lebensrythmus hier einfach zu anders. Natürlich viel zu spät, fallen wir um 8 aus dem Haus... "Taaaaaxi?!?! Plaza de Armas, estación de autobuses por favor!" und ab gehts in den Bus.

Wer? 
Ester, Lena, Adrian. 




Wohin?  
Jabugo. 1200 Einwohner. Weltberühmt für seinen einzigartigen Jamón - Schinken. An der Grenze zu Portugal, in der Sierra Aracena gelegen und im Herbst fast ein bisschen mit Indian Summer-Feeling behaftet. Ansonsten weiterhin: Authentisch spanisch, liebevoll gastfreundlich, lebendig, idyllisch, Westerwaldluft, ruhig. Impressionen:






 



Warum und vorallem... Wie?  
Zum ersten Mal sollte in diesem Jahr die Fiesta de las candelas stattfinden. Das Dörflein bildet also 11 verschiedene Gruppen - das können Familienclans sein (ohnehin scheint hier jeder mit jedem verwandt), Sportvereine, Chöre, Freunde, Lebens- und Leidensgenossen, die sich untereinander absprechen wer welches Essen besorgt, vorbereitet und mit spanischer Liebe zur Küche würzt. Am wenigsten Aufwand, aber am schwersten zu tragen hatten wohl die Jungs, die die geschätzten 200 Liter Bier, Bowle und Sherry zum Marktplatz brachten. Um die candelas - die Lichter in Form von kleinen Feuerplätzen, die sich einmal um den Marktplatz reihten, kümmerte sich die Stadt. Und dann konnte es eigentlich auch schon losgehen --- mittags um 13.00 Uhr. Man startete mit über dem Feuer geröstetem Brot, Salmorejo, Jamón, Käse, Oliven, Dipps und Bier. Je später der Tag umso herzhafter das Essen. Tintenfisch, Paella, Couscousähnliche Pampen, 2 arme Ferkel (...) Je leerer die Biervorräte umso lauter die Leute, umso mehr Gitarrenmusik, Flamencogeklatsche und ausgelassene Stimmung.


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Wenn ich mir jetzt so überlege, wie ich die 9 Stunden verbracht habe, die das Fest dauerte (danach verzogen sich die Alten nach Hause, die Erwachsenen in Bars und die Jungen in den einzigen Club, den das Dorf beherbergt), wird mir im Nachhinein klar, dass ich die meiste Zeit mit beobachten und staunen verbracht habe. Beobachten, mit welcher Hingabe ein Endzwanziger für 3 Stunden mit einer Seelenruhe Schinken in dünne Scheiben schneidet, wie man den Oktopus würzt, was alles in eine Paelle hineingehört. Staunen wie hier Alt und Jung zusammen lebt UND feiert, wie unkonventionell alles hier is(s)t, wie 6 Omas im Alter von 65-80 Flamenco tanzen (und mich dann unter dem Arm schnappen und mitzerren), wie gastfreundlich man aufgenommen worde... Also es war ein unvergessenes Erlebnis. 
Für die Dorfbewohner aber auch. Von mir waren sie ja schon verzückt (eine Deutsche!!!), aber als sie Adrian sahen (seines Zeichens Austauschasiate aus Irland) war es dann um das Dorf geschehen. Kinder wurden zusammengetrommelt um das Wunder der Natur zu begutachten "Ninos, el chino! Mira el chino - Kinder, guckt der Chinese!" und man sprach in heftigstem Andaluz auf den armen Jungen ein, forderte ihn mit Nachdruck zum Tanz auf und riss sich quasi um seine Aufmerksamkeit. Es war ein Schauspiel. Irgendwann hab ich ihm dann erklärt, dass "Por favor, necesito una pausa!" ihm eventuell zu einigen ruhigen Minuten verhelfen könnte. Gut, Nordeuropäern, wie Asiaten fehlt dabei doch jedoch der nötige Nachdruck in der Stimme um das glaubhaft rüberzubringen. Vergebens. Wir mussten weitertanzen. Und Essen. Und Trinken. 

Austauschlena
Resümee soll also sein, dass es wohl einer der authentischstes Tage war, die ich hier bisher erleben durfte, spanischer gehts wohl nicht und ich habe das sehr genossen. Nicht zuletzt wegen der netten Leute aus dem Dorf und Esters Eltern, die mich sowieso seitdem ich hier bin behandeln, als sei ich ihr eigenes Kind (glücklicherweise mit weniger Bevormundung bei gleicher Fürsorge), sondern auch weil ich einfach mal aus der Stadt rauskam. Córdoba, Madrid, Sevilla... alles schön, aber im Herzen freu ich mich dann wohl doch, wenn ich hinter einem alten Haus 4 Schafe entecke, die mich prompt anmääähen und wenn ich tief einatmen kann und die Luft so gut riecht und und... auch die Busfahrt ins Dorf hin unvergessen. Straßen, wo sich bei uns nichtmal ein großes Auto durchtrauen würde, werden hier von den Bussen als Bahnhof benutzt, die Sierra, deren Wälder mal grün sind und nicht wie rund um Sevilla (sowie richtung Lissabon, Tarifa, Madrid) vetrocknet und weitgehend durch Olivenhaine ersetzt. An einem der nächsten Wochenenden plane ich eine Wandertour in das Gebiet - zu sehen gibt es außerdem noch unterirdische Höhlen mit Seen. Zum Abschluss dieser Anekdote noch drei Bilder, die ich irgendwie nicht richtig einsortieren kann, aber trotzdem mag...

Wir gucken mal Checkermäig.



So und jetzt zum Schluss habe ich noch ein kleines Gedankenspiel mit euch vorbereitet. KURIOS!!! 

Stellt euch vor, ihr seid Student an der Universität Trier. Ihr habt kein Auto, deswegen nehmt ihr ab und an den Bus. Heute regnet es, von der Haltestellte aus spannt ihr also schnell den Regenschirm auf und eilt geschwind richtung zu Hause. Es ist ein friedliches Wohnviertel, der ganz normale Trierer ist auf dem Weg zum Einholen und ihr seid in Gedanken schon mit dem Mittagessen beschäftigt. Neben euch hält ein weißer Lieferwagen an und ein 64 Jahre alter Mann mit 4,5 Zähnen im Mund (für die Männer: eine alte Frau) spricht im schnellsten Trierisch auf euch ein. Ihr versteht nicht uns fragt höflich "Pardong?", denkt: "Der fragt mich sicher gerade nach dem Weg!". Nach mehrmaligem Nachfragen versteht ihr: "Ich bin ein Trierer Busfahre, ich habe dich schon so oft hier gesehen in der Stadt. Du bist so schön, ich möchte dich gerne nach Hause fahren. Steig ein!" Ihr denkt: "Alter, hat der noch alle Latten auf dem Zaun?", sagt: "Nein, danke", weil ihr gut erzogen seid und müsst dann noch mehrmals das verlockende Angebot ablehnen mit dem 3zahnigen VRT-Hengst einen Kaffe trinken zu gehen. Klingt verrückt? Passiert nicht in Trier? Spielen wir weiter. Nehmen wir an, ihr seid Student  an der Universität Sevilla...: hier ist alles möglich... 

Kann mich vielleicht jemand nach Hause fahren? Ich bin so schön und fahre außerdem ab und an Bus.

Jetzt ist es schon Samstag-Nachmittag. Es regnet immernoch und ich sollte etwas Schlaf nachholen. Zeit für eine ausgiebige Siesta... mhmmhhm... Ich hoffe der Beitrag hat sich nicht zu verschlafen gelesen und ihr habt einen Eindruck von "Sevilla zu Gast in Jabugo" gewinnen können. Über Anregungen, Kritik und Grüße aus der Heimat freu ich mich, habe jetz auch endlich meine endgültige Handynummer hier: 0034633704103

Adioooo,
Lena


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