Samstag, 30. Oktober 2010

Trier zu Gast bei Freunden

Buenas!

Im folgenden Beitrag findet ihr Berichte, Überlegungen und Eindrücke der letzten zwei Wochen. Es gibt Geschichten zur spanischen Fiesta, über Besuch aus Deutschland, Temperaturangaben, die euch Tränen in die Augen treiben werden und auch einige Reflektionen zu meinem Sein hier. Ich hoffe, es ist von allem etwas dabei. Viel Spaß beim Lesen.



Gerade im Moment sitze ich im Wohnzimmer. Es sind 17:25 und ich bin mit einem trockenen Mund von meiner Siesta aufgewacht und fühle mich ganz schwindelig weil die Heizung auf "volle Pulle" läuft. Esther liegt neben mir in Pulli und mit Decke und murmelt die ganze zeit "Qué frio! Was eine Kälte!" Irgendwas stimmt doch mit den Sevillanern nicht... Draußen waren es heute morgen als ich zur Uni ging nur 13 Grad, das ist schon relativ kühl für hiesige Verhältnisse, trotzdem hat es aber gegen Mittag aufgeklart, es scheint die Sonne und ich tippe mal auf angenehme 21 Grad. Es ist eben dieses Lange-Hose / T-Shirt Wetter. Tagsüber schön warm - abends: ein leicht tailliertes Westchen in mediterranen Pastelfarben genügt! Es ist sogar noch so warm, dass ich mit meinem Besuch, der leider gestern wieder abreisen musste, letzten Sonntag zum Strand fahren konnte und wir uns (der eine mehr, der andere weniger) einen leichten Sonnenbrand mitHOLEN konnten. Welch Luxus Ende Oktober - aber: ich weiß es zu schätzen. Aha, was haben wir da gerade gehört? Besuch? Genau! Welch glückliche Überleitung.

Anfang Oktober erhielt ich eine sms von einem meiner TriMUN Tutoren, Schennis Deffler* (*Name von der Redaktion geändert), der sich wohl mal überzeugen wollte, ob die Trierer Delegation hier angemessen vertreten wird. Ich freue mich natürlich sehr über so hohen Besuch und so konnte ich  denn am 21.Oktober einen leicht zu dick angezogenen Schennis in Empfang nehmen. Unser Touriprogramm hat sich ähnlich gestaltet, wie die Unternehmungen mit meiner Mama. Man denke sich die Schnapstour in Jerez heraus und füge den besagten Tag am Strand hinzu und man kann sich in etwa vorstellen, wie wir unsere Tage hier so verbracht haben. Wie meine Performanz hier bewertet wird bekommt ihr vielleicht in den nächsten Wochen noch aus erster Hand in einem ausgefertigten WorkingPaper zu lesen.... (nerd!)

Ich freue mich sehr, wenn ich Besuch bekomme. Es ist nicht nur, ein vertrautes Gesicht zu sehen und sich endlich normal unterhalten zu können (ohne sich vorher auf spanisch Satzkonstruktionen und Vokabeln im Kopf zurecht zu legen), sondern etwas mehr. Denn immer wenn jemand, der zu Gast hier ist mir durch die engen Gässchen Sevillas läuft, die Lebensgewohnheiten der Leute hier beobachtet und verzückt ist von Tapas, Cerveza und Fiesta, wird mir auf ein Neues bewusst, welches Glück ich hatte in dieser schönen Stadt landen zu können. Klar, es gibt auch Phasen, wo ich gerne ins nächste Ryanairflugzeug nach Hause steigen möchte, aber in solchen Besuchs-Momenten wird mir dann doch wieder klar wie außergewöhnlich hoch hier einfach die Lebensqualität ist (nicht zu verwechseln mit dem Lebensstandart, doch dazu später mehr). Es passiert noch etwas, wenn ich mit einem Menschen "von zu Hause" durch Sevilla laufe: also, zweitens: Ich werde mir bewusst, dass ich tatsächlich hier bin und nicht nur träume. Könnte ja sein! Durch die Präsenz eines anderen Menschen, den man NICHT hier kennengelernt hat, wird es irgendwie nochmal deutlicher und ich denke oft an den ersten Tag wo ich ankam ("Hier habe ich mein erstes Bier getrunken!"), wie ich am Anfang alles wahrgenommen habe ("Oh mein Gott, DAS Gebäude ist meine Uni?") und auch dass es wieder enden wird ("Irgendwann sitze ich in dem Bus zum Flughafen und fahre das letzte mal zum Airport. Mit all meinem Gepäck und hier bleibt gar nichts von mir übrig.") Ich kann nicht genauer in Worte fassen, aber irgendwie wird mir mit Besuch einfach nochmal alles bewusster. Aha... Besuch? Genau? Denn der Schennis war nicht der einzige, der mich mit seiner Anwesenheit erfreut hat, kurzfristig konnte auch Schlumpi Schlump* (*ebenfalls von der Redaktion geändert) einen Abstecher nach Sevilla machen und es gab quasi eine zweite TriMUN Reunion für mich. Zuviel des Glücks! Wir haben Tapas gegessen, Kaffee getrunken, Leute geguckt, gekichert, geredet, Pizza getestet, Bierchen auf meinem Liebingsplatz San Salvador genossen und uns bei mir zu Hause im Chaos manchmal als Zuschauer eines Loriot-Videos gefühlt... ich fass es mal zusammen, es war eine sehr sehr schöne Zeit, zu kurz - wie immer - aber schön. Wie wertvoll doch TriMUN war und die Leute die man dort kennenlernen durfte! In diesem Sinne möchte ich sagen:


Gracias por su visita - Danke für Ihren Besuch
Der unschöne Teil sind natürlich immer die Verabschiedungen für mich. Jetzt bin ich 23 Jahre alt und habe offensichtlich immer noch nicht gelernt, dass das Leben aus "Willkommen" und "Auf Wiedersehen" besteht, dass Leute im Leben immer kommen und gehen, man sie jedoch meistens wieder sieht. Das ist mir in solchen Verabschiedungs-Momenten aber einfach nicht klar und da ich - wie der ein oder andere von euch ja weiß - da relativ nah am Wasser gebaut bin, werde ich hier meine Heulperformance in dem Jahr sicher um 120% verbessern. Oder aber (und darauf hoffe ich noch etwas), ich lerne einfach dass Verabschiedungen meistens nur "Hasta luego"s sind und nicht "Adios". Das hängt natürlich auch ganz stark davon ab wieviel Chancen ihr mir zum Üben bietet... !
Geburtstagsmitbewohnerin Esther
Genug von Tränen und Traurigkeit, kommen wir zu Feierei und Fiesta! Denn am Samstag, den 23. Oktober 2010 um 14 Uhr (c.m.t. = con mucho tempore) war es endlich soweit. Der Moment war gekommen um den sich die Gespräche in meiner Vierer-Mädels-WG seit Wochen drehten. Stundenlang war geplant worden: wer darf kommen? Wer will kommen? Wen muss man einladen? Wer macht was zu essen? Waaaas - wir machen was zu essen? Ich mach Nudelsalat? Was ziehen wir eigentlich an? Am Ende war dann alles so wie ich es mir vorgestellt hatte typisch spanisch. Alle Planung war für die Katz'.!Aber die Fiesta fand trotzdem statt: es sollte Geburtstag gefeiert werden! Meine Mitbewohnerin war nämlich zwei Tage zuvor 27 geworden und da das ja noch kein Alter zum Trauern ist (Dennis, Christian... ja... Kopf hoch!) wurden also ca. 40 Leute für 14Uhr nachmittags eingeladen sich mit uns auf dem Platz hinter der Kathedrale zu treffen. Danach wolle man in einer Bar gehen und für einen Festbetrag einige Zeit lang umsonst alkoholische und nicht-alkoholische Getränke genießen und konsumieren - dem ein oder anderen von euch vielleicht ein Begriff unter der Bezeichnung "Flatratesaufen" (mir natürlich nicht.) So in etwa war es dann auch - lässt man außer acht, dass sich die Gastgeber um 14:05 immer noch in ihrer Wohnung in Nordsevilla befanden, aufgrund einer um 13.30 neu erworbenen Strumpfhose nochmal sämtliche Outfits über den Haufen geworfen wurden, man nicht wusste wo sich genau eigentlich die Bar befindet und der einzige Salat, der zur Verfügung stand von mir vorbereitet worden war. Also ich sag mal so: während ich fast wahnsinnig geworden wäre aufgrund dieser katastrophalen und chaotischen Vorbereitung, der Hektik und der Verplantheit, besaß Dennis die Gelassenheit das Schauspiel einfach als Außenstehender zu beobachten - ich denke man hätte durchaus Eintritt nehmen können. Ich dachte irgendwann nur noch: "Lieber Gott, gib mir die Gelassenheit die Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann..." - aber am Ende und da gibt es nichts dran zu rütteln, war es einfach eine super Party. Zwar etwas ungewöhnlich nachmittags um halb 3 Bier und Wein zu trinken, aber einfach spanisch. Wir sind dann mit einigen anderen Partygästen auf dem Plaza San Salvador gelandet , haben dort  Freunde  unserer Freunde kennengelernt und deren Freunde und Freunde....

Lutz, Lena, Dennis und... die Spanier
Dennis hat in einem Kauderwelsch aus Englisch und Spanisch mit den Männern über Fußball gequatscht. Ich bin froh, dass alle den Abend heil überstanden haben, denn man muss sich schon für einen der beiden um die die popularität rivalisierenden Fußballvereine FC Sevilla und Sevilla Betis entscheiden! Außerdem haben wir später noch einen Trupp Männer kennengelernt - ich schätze Ende 20 - Veterinär, Sportlehrer, Journalist, etc. die mir einfach nochmal ganz klar vor Augen geführt haben wie präsent hier die schlechte Wirtschaftslage in Spanien ist. Alle mit Universitätsabschluss, alle arbeitslos. Aber das wird nicht erzählt wie bei uns, wo man noch jammert über die hohe Arbeitslosigkeit, hier ist es einfach schon so ein normaler Teil des Lebens, dass die Leute aufgehört haben zu jammern, es wirkt schon so normal, dass es fast absurd ist. Der arbeitende Teil der Bevölkerung ist ja fast schon die Ausnahme, es ist wirklich traurig... und erschreckend. Gut - für uns hat die Feier so nach 9 Stunden um eins geendet, meine Mitbewohnerinnen kamen morgens um sechs nach Hause, hatten sich von der Polizei in der Stadt mit dem Megaphon veräppeln lassen, weil sie so betrunken waren, außer dem obligatorischen Kater gab es noch einen beim Fahrradfahren verstauchten Fuß und blutig getanzte Fersen als kleinere Schäden zu notieren, ansonsten war es einfach eine gelungene Fiesta!

So... wir rufen uns kurz nochmal in Erinnerung, was ich anfangs über den Lebensstandart gesagt habe, denn darum geht es im nächsten Abschnitt. Nicht, dass ich mich mittlerweile dran gewöhnt hätte ab und an mal kalt zu duschen, aber wenn der Gasvorrat aufgebraucht ist und diese Tatsache ein Dauerzustand wird, das kann einem am morgen schonmal die Laune verderben. Dennis und Christian mögen meine Zeugen sein, es war wirklich der knaller. Gas leer. Kochen? Ne. Warm duschen? Ne. Waschmaschine? Ne. Aber das sorgt nicht für Hektik sich mal drum zu kümmern, dass Nachschub kommt --- tranquila, ganz ruhig, hat Zeit. Während wir also ohne Gas hier saßen, ging dann auch noch die Mikrowelle kaputt, der Fernseher und zwei weitere Lampen. Von der Klospülung, die nach 2 Wochen totaldefekt nur leidlich funktioniert jetzt mal ganz zu schweigen. Der DVD Player, der hier nur zur Deko steht sei am Rande erwähnt Das schöne: es stört hier einfach keinen, es ist kein Weltuntergang. Das nervige: der Zustand wird sich daher auch in den nächsten 3 Monaten nicht mehr ändern... aber irgendwie ist es auch okay, ich fühle mich trotzdem wohl in der WG und irgendwie geht es ja auch so, das ist das schöne -- wer braucht schon den ganzen funktionellen Luxus einer deutschen Wohnung? (In meinem Kopf betone ich den Satz so, dass er sowohl als rethorische Frage als auch Ausruf mit ironischem Unterton gelesen werden kann. Aber wirklich aufregen tut es mir noch nicht... vielleicht wenn es Winter ist und die Dusche kalt bleibt...) 
Eine kurze Anekdote noch von den Arbeitern, die man hier in den Straßen sieht, die ich morgens auf dem Weg zur Uni beobachten konnte. 3 Männer in Arbeitskleidung stehen um ein Loch herum, das kläglich abgesperrt ist. Der eine trinkt Kaffe, der andere filmt mit seinem Handy einen Mann, der 10m weiter Yogaübungen macht und der dritte steht im Loch und guckt sich hilflos um. Ich weiß nicht, welchen Arbeitsauftrag sie hatten, aber dieser war es bestimmt nicht. Oder wie Christian sagt: "Ja genau so ist das hier. 3 Leute bauen ein Gerüst auf. Der eine baut, die anderen beiden gucken zu." Zwar schüttel ich oft mit dem Kopf, aber irgendwie finde ich es auch niedlich... ich kann mir nicht helfen. Diese Infeffektivität mit der sich hier das Leben abspielt ist einfach oft zum knutschen (außer an der Supermarktkasse!)

So und zum Schluss habe ich noch ein paar Bilder für euch, die ich vor zwei Wochen in einem Park, bzw. auf dem Rückweg vom Park nach Hause aufgenommen habe. Hauptsächlich für alle Leute, die früher gerne mal Bridgebuilder gespielt haben.... ! ;-)
Happy Family in the park. Mittags um 4: Bier für die Erwachsenen, Cola Coke für die Kiddies, Kartoffelsalat und Fun für alle. Es gilt: Nur nicht stressen lassen!

Mit dem Radel unterwegs zum Park - ich mit dem Sevici Bike (natürlich keine Station gefunden, Joder!) Die anderen beiden Mädels mit den "gebraucht" gekauften Rädern vom Schwarzmarkt. Als Fortbewegungsmittel ist der Drahtesel hier unersetzbar.
...und so siehts aus, wenn man drauf steht!
Lenas Bridgebuilder-Brückenkonstruktion


Blick von der Brücke mit Abendstimmung. Links am Fluss meine Laufstrecke!

Blick von der Brücke auf die Graffities
 So Jungs und Mädels, ich glaube das hier wars von mir. Mittlerweile ist Samstag Mittag, draußen ist es richtig grau, ich war schon im Regen laufen und sitze jetzt hier mit Pulli und Schal, grünem Tee und werde mich gleich an meine Hausaufgaben setzten: Wie ist der Unterschied von ser und estar im spanischen?  Lektüre von Hemingways "The sun also rises" und "El corazón de Napalm",  Sachen sortieren., Bude aufräumen, Leben organisieren. Irgendwie gemütlich.... So langsam kommt die Jahreszeit wohl, wo man anstatt auf leckeres Cruzcampo Lust auf Kakao mit Rum hat... Heute Abend gehts zur Halloweenparty (nicht mal hier kann man dem entfliehen!) Vorschläge für günstige Kostüme werden noch bis 20:00 gerne entgegengenommen. 

Un beso!
Lena




1 Kommentar:

  1. Christian, wenn du noch ein paar brauchbare Fotos hast, lass sie mir doch zukommen, meine Kamera war ja eher inaktiv die Tage!

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