Dienstag, 5. April 2011

Lesen Sie diesen Blogeintrag bis zum Ende und erhalten Sie einen Schinken gratis!

Ich sitze im Bus und fahre an einem Möbelhaus vorbei. Im Schaufenster wird nicht geworben mit der Qualität der Massivholzmöbel oder der gesundheitsfördernen Wirkung der Kaltschaummatratzen, nicht mit den Niedrigpreisen oder der besonderen Umweltverträglichkeit FSC-Zertifizierter Produkte. Nein. Ein großes Plakat mit einem blauen Schrottsofa darauf, daneben eine 599 und daneben in 400fach vergrößerter Lebendgröße ein Schinkenbein. "Kaufen Sie Möbel im Wert von über 599Euro und erhalten Sie einen Schinken gratis dazu!" Bienvenidos a Espana. Bienvenidos zum neuen Blog. Es gibt Geschichten über Langfinger, kulinarische Highlights wie Schweinemandeln und Bilder von atemberaubenden Landschaften der Sierra de Aracena und meinen atemberaubenden Freunden aus (Deut)Schland!


Vor einem Monat habt ihr also zum letzten Mal etwas von mir gehört. Tja, was soll ich sagen. Es ist nicht so, dass ich keine Zeit gehabt hätte micht dem Blog zu widmen, es lag wohl eher daran, dass mir die Lust gefehlt hat. Die hat mir aber nicht nur für den Blog gefehlt, sondern auch für alles andere, für das Leben generell. Während in Sevilla der Frühling losging, das bedeutet angenehme Temperaturen anfang 20 Grad, die Straße voller Menschen, positive Stimmung an der Straßenecke, wildes Rumgeknutsche von Pärchen jeden Alters auf dem Bussitz nebenan (und dahinter und davor) war ich damit beschäftigt hauptsächlich auf der Couch zu sitzen. Draußen der Duft von blühenden Oragnenbäumen, drinnen auf der Couch der Zigarettenrauch meiner Mitbewohnerinnen. Anstatt durch die Sonne zu schlendern, schwitzend die Oberarmmuskulatur auf Krücken trainieren. Wie es ist, wenn es zum Problem wird gleichzeitig eine Tüte Milch und eine Kopf Salat zu kaufen, weil es einfach nicht in den Rucksack passt? Oder der Arzt in einer Seitenstraße 1000 Kilometer von der Busstation weg ist und  einem nach 20m aber schon die Puste ausgeht? Wie es ist, in dem flächenmäßig größten Gebäude Spaniens Uni zu haben und den zwischen den Veranstaltungen den Raum auf Krücken zu wechseln? Oder auch ganz simpel: wie ist es wenn Freunde zu besuch kommen und anstatt mit ihnen Feiern zu gehen, bleibts bei 3 Bier vor der Tür, weil auch das Krückenlaufen nicht mehr drin ist, weil man dann von der Überbelastung eine Entzündung im Ellenbogen hat? Wenn da etwas im speziellen interessiert, beantworte ich gerne alles ausführlich per email. Nur so viel: es war keine schöne Zeit und auch Ibuprofen konnte mir nicht im geringsten weiterhelfen. Aber jetzt, jetzt geht es wieder bergauf. Ich hatte einen wunderschönen Tag und bin daher auch im richtigen Mood um einen Blogeintrag zu verfassen und euch von den SCHÖNEN Dingen zu erzählen, die das Leben trotzdem für mich bereitgestellt hat!
Das wichtigste sind natürlich immer die Menschen, die man um sich hat. Angefangen hats ja schon mit Teresa, der beste Zivi der ganzen Welt. Später kam dann Besuch aus Paris. Nicolas S. hatte keine Zeit und hat würdige Vertretung geschickt. Hübscher, intelligenter und interessanter, welcome Anna & Jeff en Sevilla (caliente!). Nach TriMUN Besuch ist vor TriMUN  und zack - standen auch schon meine Lieblingshomies Florian, Kerstin und Christian vor der Tür (in spanisch spricht man das Florrr, Kaschdin y Krries). Dios hatten wir eine schöne Zeit.
Die drei haben definitiv Geduld mit mir bewiesen, mich zum Strand mitgeholt, mich vom Boden aufgerafft, als ich mit Käse- und Schinkentapas die Idee hatte auf einem Bein mal schnell einen leckeren Happen zu servieren ("Ich hab da mal was vorbereitet....! Zack-Bum-Aua!"). Wir haben gut gegessen und getrunken, lang geschlafen noch länger geredet, Unsinn getrieben. Na ja und was lernte ich daraus und was möchte ich dem Leser des Blogs mit auf den Weg geben? Mir ist einfach nocheinmal bewusst geworden wie wichtig Freunde sind. Monatelang nicht gesehen und das einzige, was sich verändert hat sind Kerstins kurze Haare, Florians superbody und Christian ist natürlich noch älter geworden. Hier und in aller Öffentlichkeit sollt ihrs alle wissen was für saucoole Jungs und Mädels ihr seid. Und dass ich euch vermisse und mich freue euch alle am 8. Juli in Trier (oder vorher und nacher im WW) wiederzusehen. Ausreden wie Geburtstag von Freund u.ä. werden nicht gelten gelassen, der hat auch schließlich nächstes Jahr nochmal Geburtstag. Und einen Grill haben wir schließlich auch schon. Ein fettes Besito an euch alle. :*
 
TriMUNs in den Flieger gesetzt und kaum eine Nacht geschlafen kam  und dann auch schon madre mia mal wieder vorbei. Und als sie mich gefragt hat, was ich gerne machen würde, kam eigentlich nur eine Sache in meinen Kopf. "Ich möchte mal mehr als 50m in die Ferne gucken können ohne Häuserhäuserhäuser und AutosAutosAutos zu sehen." Also zack Auto gemietet und eine schöne Tour durch die Provinzen Cádiz, Sevilla und Huelva gemacht. Mit Krücken ist ja leider nicht so viel mit Wandern gehen oder große Touritouren machen, aber die Möglichkeiten, die wir hatten, haben wir genutzt. Unsere Tour hat uns also durch die hässlichen Erdbeerplantagen Huelvas, vorbei an der Westernstadt El Rocío, Kolumbus Zufluchtsnest Moguer und durch das größte Minengebiet Spaniens bis in die Sierra de Aracena geführt.

Hier links im Bild seht ihr zum Beispiel Minas de Rio Tinto. Eines der ältesten Bergbaureviere der Welt. Den Namen verdanken die Stadt und die angrenzenden stillgelegten Minen dem hier entspringenden Fluss "Rio Tinto", dessen blutrote Färbung eine ganz gespenstische Landschaft zaubert. Hier reagiert nämlich sein saures Wasser mit den Auswaschungen von Eisen und Kupfererzen, die es hier zur Genüge gibt (Ok, ich gebs zu, hier hab ich nochmal im Touriführer nachgelesen.) 1873 hat man dann hier die Rio Tinto Company gegründet und dann ambitioniert eine der größten Kupferminen der Welt zustande gebracht. Ich persönlich hab ja noch nichts vergleichbares mit meinem Leben angestellt. Ok, heute sind die Minen stillgelegt, aber was überbleibt ist eine beeindruckende Landschaft, jede Menge Schrott und die vage Vermutung wie es hier einst mit 14000 Arbeiten rund um die Uhr zur Sache ging.
 Da es mir leider aufgrund meiner körperlichen Behinderung nicht möglich war das Gelände auf eigene Faust per pedes zu Erkunden, haben wir uns also mit Frührentnern und Kleinkindern in den hiesigen Tourizug gesetzt. Eine alte Diesellok, die uns durch die Geisterlandschaft getuckert hat! TuuuuutTuuuuut. Noch aus dem frühen 20Jahrhundert wackelt, knattert, dampft und tuutet das Gefährt 22km durch diese surreale Landschaft. Die hässlichen aber Respekt vermittelnden alten Abbaugebiete, der blutrote Fluss und nebendran die grünsten, sich wie Broccoli aneinanderreihenden Bäume, die ich je gesehen habe! Impressive!
Hier rechts seht ihr mich auch vor meinen eigenen Lokstation!! TuuutTuuut. 
Von dort aus gings dann wie schon bereits oben angedeutet nach Moguer. Schwierig zu beschreieben. Eigentlich eine ganz normale andalusische Kleinstadt, aber schon am frühen Morgen kommt man aus der Verzückung einfach nicht mehr heraus. Überall schöne Gebäude, überall riechts nach Kaffee und Toast, kein Haus trägt nicht mit schön gepflegten Blumenkästen auf, der Storch macht auf dem großen Kloster Santa Clara (in dem Kolumbus nach seiner Rückkehr angeblich eine ganze Nacht durchgebetet hat) sein Nest und man läuft (oder humpelt) fassungslos über das große Kopfsteinpflaster. 
Ok, das war ja alles schon soweit ganz nett, aber mein absolutes Highlight des Kurztrips (und ich glaube das von meiner Mama auch - ich sag nur: "ich musste fast weinen, so schön war das!") war die Sierra de Aracena mit allem, was sich dort erleben lies. Im Herzen der Sierra, dem kleinen Marktstädtchen Aracena wo auch unser wunderschönes Hostal lag, sowie in den umliegenden Dörfern, in denen es manchmal nicht mehr als 300 Einwohner gibt und die Straßen nicht breiter als 3m sind, scheint die Welt einfach noch in Ordnung zu sein. Wie stehengeblieben. Die Luft ist klar, die Schafe laufen auf einer grünen Wiese um das Schloss, dass sich in der Mitte des kleinen Ortes erhebt und spielen Fangen, man hört ihre Glocken und auch ihr "mäh"... da haben sich meine Lungen nicht nur mit frischer Luft gefüllt, sondern auch mit einer großen Portion Glück. Es scheint schon so, dass ich dann am Ende doch ein Kind vom Land bin!



 Aracena: Wer mich im Bild findet, bekommt schon mal einen Jamon-Vorschuss!
Postkartenfoto. Copyright FTH.

MÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄH! Oder auf spanisch: Beeeeeeee!
Einen Tag haben wir dann auch noch die hiesigen Tropfsteinhöhlen angeguckt. Fotos durfte man leider keine machen, deswegen einfach mal bittebitte "Grutas de Maravilla Aracena" im Internetz eingeben und Staunen. Maravillo übersetzt sich nicht um sonst mit "traumhaft" oder "wunderschön". Rund 150.000 Besucher im Jahr sprechen für sich, jedoch musste die Höhle schon einige Male geschlossen werden, weil die Leute einfach nicht die Finger von den langsam wachsenden Salzen lassen können. Patschpatsch, als ob man dann mehr von dem Erlebnis hätte! Den müsste man einfach mal allen Krücken in die Hand drücken, dann hätten die überhaupt keine Hand frei für solchen Unfug! Höhlen verschiedenster Formationen und größen mit glasklaren Seen und bizaaren Felsformationen boten übrigens auch die Kulisse für den Film "Die Reise zum Mittelpunkt der Erde". Und das bin ja wohl immernoch ich!


So und jetzt sitze ich schon wieder über zwei Stunden an dem Eintrag hier und es liest sich als seien es 20 Minuten gewesen. Ich fass auf jeden Fall nochmal zusammen: hier in Spanien gehts nicht nur mit den Temperaturen aufwärts, sondern auch mit meinen Gehbemühungen und dem Gemüt. Am Samstag war ich schon kräfig feiern und bald werd ich mich auch wieder aufs Fahrrad schwingen können. Fürs kommende Wochenende sind Ausflüge und Aktivitäten geplant (alle ohne dabei viel zu laufen) und das hilft mir ein bisschen über das schon latent vorhandene Heimweh hinwegzukommen, dass eure ganzen wunderschönen Besuche hervorgerufen haben. Vielen Dank dafür nochmal.
Die Uni läuft besser als ich, ich habe mit einer kleinen Diät begonnen um die Gipsfrustfresserei rückgängig zu machen (mal sehen was daraus wird) und ich freue mich jetzt einfach wieder richtig auf die drei Monate die mir hier noch verbleiben. Durch die Geschichte mit dem Gips ist mir nochmal klargeworden, dass man es schon nutzen sollte, wenn man fit ist. Also Abfahrt!
Eine Nachricht habe ich zum Schluss noch für alle interessierten, wie es mit mir, meinem Leben und dem Blog weitergeht. Ab Juli wird sich nämlich die Überschrift ändern. Dann heißt es nicht mehr Lena en Espana, sondern Lena en Chile. Vor einigen Wochen habe ich meinen Praktikumsvertrag zugesendet bekommen, der Flug ist gebucht und die Vorfreude schon größer als ich! Von Juli bis Oktober werde ich in einer Kleinstadt im Süden Chiles, Temuco, in einer Fundación der World Fair Trade Organization Praktikum machen. Die Fundación arbeitet im Bereich des Fair Trade zusammen mit den Mapuche, quasi den Aboriginie Chiles, und ich darf mit meinen eigenen Augen alles sehen und mit meinen Händen anfassen und helfen! Sehe mich schon in Wanderschuhen unterwegs nach Patagonien, noch ekelhaftere Sachen essend als Schweinemandeln, Leber und Niere und mir in Chiles Winter den Hintern abfrieren. Mit anderen Worten, ich bin gespannt. Ich bin neugierig. Ich schätze mich glücklich. Ich hab die Hosen voll. Ich will meinen Koffer packen. Ich freue mich!

Liebe Leser....viele Grüße an euch alle!
Auf bald, 

Lenita


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen