Dienstag, 26. Juli 2011

Einführung in die kulturelle Vielfalt Chiles: Kapitel 1, der ÖPNV

Busfahrer in Pause. Abseits der Arbeit lieber mit dem Rad.
Während es im Gegensatz zu Deutschland an den Bushaltestellen in Spanien nicht mal Busfahrpläne gab, gibts in Chile nichtmal Bushaltestellen. Man stellt sich an die Straße winkt verrückt, der Bus hält fast an, man springt elegant und waghalsig auf und los geht die rasante fahrt durch die schmalen Gassen Valparaísos oder die großen Avenidas von Temuco. "Solange sich keiner beschwert, darf der Fahrer seine Musik so laut hören wie er möchte.", sagt in jedem Bus ein kleines Schildchen während bei uns im Merkelland 18Verbotsschilder den Konsum von Essen, lauter Musik, Handys, Sprechen mit dem Fahrer uswusf anprangern. Schon morgens auf dem Weg zur Arbeit kriegt der Chilene also schon mit heißen Latinorythmen gute Stimmung verpasst, während das alte Gefährt über die Straßen ruckelt, zuckelt und rappelt - das hat schon so seinen Charme. Gezahlt wird nach Sympathie, manchmal bezahl ich 400, manchmal 500 und wenn die Haare nicht sitzen (das kommt bei dem nass kalten Wetter schonmal häufiger vor) 600 Chilenische Pesos. Der Assistent vom Busfahrer verzeihts aber trotzdem immer mit einem netten Augenzwinkern. Vielen Dank, schönen Tag noch. Ich finde am Busfahren lässt sich auch immer ein Stück Landeskultur erkennen. Reflektieren wir das mal... 

Deutschland. Die Krawatte des Busfahrers sitzt. Schlechte Laune, Vermeiden des Blickkontaktes und zufälliges Übersehen hinter dem Bus herrennender Studenten gehören zum guten Ton. Der Bus ist in Topausstattung, Wechselgeld vorhanden, der Computer druckt formschöne Fahrscheine. Soll der Bus um 7.43 da sein und ist um 7.46 noch nicht mit lärmgedämpften Motor, Biosprit und 2 Ersatzreifen vorgefahren, wird der Durchschnittsdeutsche schonmal brummelig. "Wär ich doch mit dem Auto gefahren!" Während der Fahrt hört man zum 400. Mal das mysteriöse Geräusch auf RPR1, gedämpfte Lautstärke (natürlich!) Ökonomisch fast unerschwinglich, kommt man doch sicher, halbentspannt und und stets mit 1a eingestellter Klimaanlage ans Ziel. Auf Wiedersehen. Zuverlässig, komfortable, läd zum Halbschlaf ein.
Spanien. Das Poloshirt des Conductor ist schön aufgebügelt, der gepflegte Dreitagebart wurde seriös zurückgestutzt, jeder Einsteigende bekommt ein "buenos dias" entgegengebrüllt (um die Lautstärke der schnatternden Fahrgäste zu übertönen), je weiblicher der Fahrgast umso fröhlicher der Morgengruß des Fahrers. Gesittet steigt der Spanier in den Bus, hier gehört ordentliches Schlangestehen zum guten Ton - wie sie halt so sind: Stehts auf Passion und Fiesta bedacht (Schnattern und Tratschen im Bus), aber wenns dann hart auf hart kommt beim Einsteigen (wer kann den letzten Behindertenplatz ergattern) hat der Spanier es gern geordnet - wie eben auch im wahren Leben. Da es keine Fahrpläne gibt, gibt es auch keine Unpünktlichkeit - die Fahrgäste nehmens gelassen, der ganze Rest des Meetings kommt ja auch zu spät. Die Busse in gutem Zustand, man ist stolz auf den ausgezeichnet funkionierenden Nahverkehr. Ökonomisch erschwinglich, ökologisch vertretbar. Gute Fahrt, schönen Tag, erkälten Sie sich nicht bei der 14Grad Klimaanlage! Lebendig, unzuverlässig, man erschließt jetzt auch eine U-Bahn!
Chile. Anstatt der Busuniform hängt man als Erkennungzeichen einfach die Flagge Chiles in den Bus neben das amerikanische Pinup-Girl (wir sind ja eh alle Brüder!). Funktionell sollte die Kleidung des chilenischen Busfahrers im Winter schon sein, es ist schließlich ganz schön kalt hier, die Klimanlage funktioniert in den Kleinbussen, die oft so alt sind wie ich, eben nicht so exzellent und sowieso hält der Wagen fast alle 400m an, Tür auf, Kälte rein. Fahrgast aufsammeln, der an einem willkürlichen Punkt am Straßenrand gestanden und gelangweilt gewinkt hat. Naja, anhalten wäre übertrieben, die Fahrt wird verlangsamt, die Tür öffnet, der Assistent springt raus, reicht dem Einsteigenden die Hand (höflich oder?) und wenn er Glück hat, hat er schon wieder das halbe Bein im Bus, wenn der Conductor Gas gibt. Gut dass der Busfahrer die Musik so laut stellen darf wie er will, denn um das Dröhnen des Motors zu überbrücken ist schon einiges an Lautstärkevolumen vonnöten. Für den Fall, dass sie das Gefährt verlassen möchten, wenden Sie sich vertrauensvoll an den Fahrer, "hier, bitte!", er wird sofort eine Vollbremsung hinlegen. Halten Sie sich also gut fest und sichern sie vorher ab, dass das folgende Gefährt nicht zu dicht aufgefahren ist. Der Preis, variiert, ist aber stehts erschwinglich, die Busse fahren alle 5 Minuten, guter Service und das sogar ohne Krawatte und mit schlechtem Verdienst. Der Chilene reflektierts nicht groß. Busfahren ist halt so. Ah, aber geschlafen wird nicht, nichtmal ein Powernap bitte, sonst rauben sie einen aus, sagt man mir, bis auf die Unterhose! Chaotisch, sympathisch, hartes Brot. 

Wo ich eigentlich genau bin und was ich hier mache,  warum ich schon Kontak mit dem hiesigen FBI hatte und abends um zehn meistens schon erschöpft ins Bett falle, gibts dann im nächsten Blog. Nur soviel: es geht mir gut.

Stay tuned!
Lena

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