Dienstag, 14. Oktober 2014

Kulinarischer Zwischenpost

Genug Landschaften geguckt jetzt mal. Eigentlich geht es doch immer nur um das Eine, wenn man unterwegs ist. Scheiss auf Lagunen, Gletscher und irgendwelche grossen Voegel. Das wirklich wichtige ist doch: Was esse ich eigentlich als naechstes?
Zuhause misst man der Frage wohl keine ganz so grosse Bedeutung bei, da die Antworten recht einfach sind:

a) Was die Mensa an Theke 1-3 serviert.
b) Mensa geschlossen? Ok, dann eben: was der Kuehlschrank noch hergibt.
c) Kuehlschrank leer? Na gut, dann mach ich mir halt grad ein Brot. 

Unterwegs ist das etwas voellig anderes, weil es 1. keine Mensa gibt, 2. Kuehlschraenke nicht gerade zum Standartinventar eines Backpackers gehoeren und 3. Weissbrot auf die Dauer weder nahrhaft noch besonders lecker ist (und ich eigentlich nicht wieder 10 Kilo in 4 Monaten wie in Australien zuHOLEN wollte).
Der innere Monolog, den man dann mit sich zur Beantwortung der Kernfrage Was esse ich eigentlich als naechstes fuehrt, macht zunaechst die Erlaeuterung weiterer Unterpunkte notwendig:

1.) Wie steht es um den Magen-Darm-Trakt? Ist eine Aufnahme von festen Lebensmitteln ueberhaupt ratsam? Stehen laengere Busfahrten ohne Moeglichkeit zum Toilettengang an? 

Hat man sich aufgrund der Beantwortung dieser Fragen FUER eine Aufnahme von Lebensmitteln entschieden, folgt Punkt 2.

2.) Wie steht es um meine monetaere Situation? Hier bieten sich Optionen a und b.
      2a) Geld spielt keine Rolle. Ist sowieso alles so guenstig hier! Ich geh essen!
      2b) Oh, irgendwie sind doch nicht alle Laender so guenstig wie Bolivien - wenn ich finanziell bis                           zum Heimflugdatum noch rumkommen will, koch ich wohl besser selber.

Moeglichkeit 2b ist dann relativ leicht erklaert. Man gehe zum naechst gelegenen Markt, Minimarkt oder Grossmarkt, kaufe Wahlweise Nudeln oder Reis und verfeinere das ganze in der Hostelkueche mit einer Tomatensauce und ein paar kleingehackten Avocados. An leckeren Gewuerzen bieten die Gemeinschaftskuehen als Standartinventar oft Salz und Salz und wenn man Glueck hat, ist auch noch ein Rest Pfeffer in vorhanden (ach ne, doch nicht - die Dose ist leer, mist!). Gut, dass sich im Topf vom vorangegangenen Benutzer noch angebrannte Reste undefinierbaren Ursprungs befinden, so bekommt die Pampe wenigstens etwas Geschmack!

Moeglichkeit 2a (hier als Auswaertsessen definiert) ist dann so vielfaeltig wie Lateinamerika gross ist. Weil sich das nicht so alles ueber einen Kamm scheren laesst, moechte ich mal grob nach Laendern und grenzuebergreifenden Spezialitaeten sortieren. 

Alpaca. In Peru und Bolivien haeufiger als Strassenessen zu finden, als Schwein oder Rind oder... Gemuese. Lecker, waeren die Alpacas nur nicht sooooo suess!!

Asado, das. (= Grillen). Die Lieblingsbeschaeftigung der Chilenen und Argentinier. Zum Asado braucht man: Fleisch und Bier, fuer die Luxusvariante noch Brot. Von Salaten oder Kohlenhydraten in Form von Nudeln oder Kartoffeln sowie Gemuesevariationen wird abgeraten. Zuviel Aufwand und man mag es lieber puristisch. Gegrillt wird besonders gern ab den fruehen Mittagsstunden an Feiertagen, an Wochenenden und mit Freunden. Fuer Impressionen siehe auch hier und hier.

Bolivien. Bekannt fuer seine Salteñas, siehe dazu auch Empanada. An viel mehr Strassenessen habe ich mich aufgrund der Negativbeantwortung der eingangs erwaehnten Frage 1 nicht herangetraut.

Cafe. Nur als Nescafe Instant Mischung vorhanden - ein klassischer Fall von "wird nur fuer den Export produziert". Und wenn man dann mal einen richtigen Kaffee in der Grosssstadt findet, dann haeufig in irgendwelchen von Backpackern gentrifizierten Vierteln und zu europaeischen Preisen. Also habe ich aufgehoert zu suchen und trinke Tee. Eh gesuender!

Chile. Gemenhin: hauptsache viel, hauptsache fettig. Nicht zu verachten aber die traditionelle Kueche aus kuerbishaltigen Suppen, Eintoepfen, Fisch und vor allem eines: viel viel Koriander!

Choripan. Der Ruf eilt ihm meilenweit vorraus. Ich hoere immer nur Choripan, Choripan!, CHORIPAN!! Besonders zu Chiles Nationalfeiertag, dem 18. September ist das Choripan fast genauso wichtig wie die chilenische Flagge. Meine Erwartungen waren hoch und was war es dann letztendlich? Wurst im Brot. 

Coca-Cola  und andere Softdrinks duerfen zu keiner Mahlzeit fehlen. Guenstiger als Mineralwasser. Und weil sie so essentiell sind, gibt es sie auch meistens in den 2 Liter Flaschen. Als light oder zero selten zu haben. Auch Kinder nuckeln gerne und viel dran. Und das Ergebnis? Siehe auch: dick sein.

Dick sein. Wenn ich an Lateinamerika denke, denke ich an... Buenos Aires und Brasilien: Frauen in roten Tangokleidern, die wunderschoenen brasilanischen Karnevalstaenzerinnen, Salsa und Temperament, viel Bewegung, nackte Haut und feminin kurvige und maennlich muskuloese Wesen. Die traurige Wahrheit sieht aber leider anders aus: viele Menschen hier sind - ok einfach mal ganz drastisch gesagt - dick. Besonders Kinder und Jugendliche. Immer mit der Colaflasche in der Hand, zwischen frittierter Empanada und irgendwelchen anderem Scheiss Junk Food. Ich zitiere mal "“Obesity has become a problem of poverty,” says Daniel Epstein of the WHO Regional Office of the Americas. “Poor people have an easier time of eating junk food.“The problems of obesity rates dramatically increase in countries that are undergoing economical development,” he says. Rural workers moving to urban areas perform less physical labor and supplant traditional low-fat diets that include local goods with processed diets that are high in fat and sugar." (aus "The Worlds fattest countries, 02.08.2007 im Forbes Magazine). Ok - Deutschland ist auch fett, aber wenn ich mir das hier so angucke... fuehle ich mich taeglich wie eine hauchzarte schwebende Gazellenfee!

Empanada, die. Im ganzen Suedkegel verbreitete gefuellte Teigtasche. Wahlweise mit Hackfleisch, Oliven und Ei, mit Schinken und Kaese, mit Gambas und Kaese oder als Neapolitana mit Tomatensauce und... keine Ahnung. Die Empanada gibts an jeder Ecke - frittiert oder aus dem Ofen gebacken. Guter Snack fuer zwischendurch und auch schoen was fuer auf die Hueften. 

Ensalada, Salat. Gibts nicht. Hoechstens mal als Tellerdeko. Und die sollte man bekanntlich nicht mitessen.

Fleisch. Immer, ueberall, essentiell. Und soooo lecker. Vegetarisch? Haeh, was ist das? 

Peru. Wahnsinnig leckere Marinaden. 3000 verschiedene Kartoffelsorten und 6000 Arten der Zubereitung. Fisch, ceviche (roher Fisch mit Zitronenmarinade), Pisco Sour, Kulinarisch ein echtes Hochgenussland!

Pollo, das. Huhn. Der Lonely Planet sagt, das Huhn sei das Standartessen vieler Regionen in Lateinamerika. Dazu noch etwas Reis und die ganze Affaire in einer tomatigen Sauce versenken - fertig ist das gemeine Mittagsmahl. (Dazu faellt mir ein, dass in Mexiko Stadt taeglich 20 Millionen Huehner fuer 16 Millionen Einwohner eeh... verarbeitet werden. Ich will gar nicht wissen, wo die alle wohnen.)

Quinoasuppe. Hauptsaechlich verbreitet in den Hochebenen der Anden, im Ursprungsgebiet des Quinoas (sprich uebrigens QUInoa, nicht quiNOA). Lecker, nahrhaft, kommt die Suppe mit Kartoffeln und Reis, meist ohne Fleisch, aber mit klarem Geschmack nach Fleischbruehe. Und wenn man Pech hat auchmal mit einem Huehnerfuss als beiliegendem Gaumenschmauss. 
Und weil mich natuerlich immer die Hintergruende der Dinge interessieren, gibt es an dieser Stelle einen kleinen Exkurs in Sachen Quinoa, dessen nahrhafte und kohlenhydratarme Strukur in Europa fuer einen richtigen Quinoa Hype gesorgt hat. Seit ebenjenem Hype sind die Preise auf den lokalen Maerkten naemlich ins unermessliche gestiegen. Verdoppelt waere gut, die Preise haben sich aber wohl locker vervierfacht und die Bauern produzieren nun nicht mehr fuer den eigenen Bedarf, sondern lediglich fuer den Export. "Na ja, dann kommt wenigstens was in die Kasse", koennte man sagen. Dieser Gedankengang relativiert sich aber, wenn man bedenkt, dass die Preise, die fuer das Produkt in Europa, Amerika und China bezahlt werden, kaum wirtschaftlich sind. Denn die Produktion des Quinoas ist hoechst aufwaendig. Saehen, ernten, auf den Samen tanzen (den Teil der Erzaehlung einer Quinoa Farmerin habe ich nicht ganz verstanden), toasten, lesen (...) - es ist aber ganz offensichtlich eine fast lebensfuellende Aufgabe Quinoabauer zu sein. Und seit man selber keinen Quinoa mehr isst, weil der Export eben wirtschaftlicher ist, sagten die Farmer, werden die Kinder immer krank. Frueher nicht, weil Quinoa eben so nahrhaft und gesund ist - und jetzt? 
Fuer weniger salopp und mehr Info gibts hier noch einen schoenen Artikel vom Guardian zu dem Thema.

Wie euch wahrscheinlich klar ist, koente ich die Liste noch ellenlang weiterfuehren. In Deutschland gibts ja auch alles vom Westerwaelder Dippekouche, ueber badische Kaesspatzen bis zum Spanferkel in Muenchen. Das Berichten ueber kulinarische Highlights und Abartigkeiten koennte man ja fast als aehnlich lebensfuellende Aufgabe wie den Anbau von Quinoa betrachten. Aber da ich nicht mal fuer den Export meiner Informationen bezahlt werde und time bekanntlich money ist, ist es mal wieder Zeit den Blogeintrag fuer heute zu beenden. 

Gleich geht mein 24 Stunden Bus in den Sueden Argentiniens. Dort gibts ein paar Wochen Farmarbeit, for the real argentinian experience, bevor es dann den letzten Monat quer durch Patagonien geht. Mein lang ersehnter Traum. Nationalparks, Gletscher, Pampas, Rios und das alles am Arsch der Welt. Bilder gibts beim naechsten mal wieder - die langsame Internetverbindug verbietet mir leider jeglichen Upload, der ueber schwarzweisse Buchstaben hinausgeht. 

Stay tuned,
Lena




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