Dienstag, 12. Juli 2016

Apropos 8

„Unser Zug erreicht Mannheim Hauptbahnhof dann pünktlich um 8:00 Uhr. Ah, und apropos acht, meine sehr verehrten Damen und Herren, im Wagen mit der Ordnungsnummer acht befindet sich unser Bordbistro, in dem wir Sie gerne mit frisch gebrühtem Kaffee begrüßen.“  Ich stocke. Schaue in die Sitzreihe schräg gegenüber, der Anzugmann zeigt keinerlei Regung. Ich kichere. Der Schaffner des ICE 762 ist vom Standard-Text abgewichen. Das amüsiert.

Ich erreiche also pünktlich um 8 Uhr den Mannheimer Hauptbahnhof (die vorgesehenen Anschlusszüge werden erreicht) und quetsche mich mit allen anderen Menschen aus den schmalen Löchern, die im ICE der Deutschen Bahn großkotzig als Türen bezeichnet werden. Ich bin ja kein Ingenieur, aber das hätte man wohl wirklich anders konzipieren können. So, dass mehr Fahrgäste auf einmal aussteigen können. Effektiver halt. Deutscher eben! Wo der Wagen schon nicht einfach nur lapidar mit „Nummer 8“, sondern schön akkurat mit „Ordnungsnummer 8“ betitelt wird.

Endlich aus dem Zug ausgestiegen empfängt mich warmer Sonnenschein. Ich bin froh. Die Sonne scheint, der badische Schaffner hat mit seinem „Apropos 8“ ein Späßle gemacht, it’s gonna be a bright and sunshiny day! Ausrufezeichen. Oder Moment mal. Jetzt fängt der frontale Hirncortex wieder an zu zweifeln: „Wie trist muss mein Alltag eigentlich sein, dass mich solch eine minimale Standard-Abweichung froh macht?“ „Ruhe im Pessimisten-Areal!“, schnauze ich mich an und lächle angestrengt weiter, stolz und tief davon überzeugt, dass es etwas absolut Positives ist, sich auch über Kleinigkeiten freuen zu können.

An mir rasen die Anzugmänner vorbei. Schwarzweißhellblau. Schwarzer Anzug, weißes Hemd, hellblaue Krawatte. Sind bestimmt die gleichen wie gestern. Vielleicht aber auch nicht. Man weiß es nicht, am Ende sehen eh alle gleich aus und schweben mit ihren Rollkoffern davon. Mittlerweile bin ich bei meinem Fahrrad angelangt um weiter zum Office zu radeln. Ok, wenn ich mich schon nicht über das „Apropos“ des badischen Schaffners amüsieren kann, diskutiere ich mit mir selbst, dann vielleicht wenigstens über die „Ordnungsnummer“. Deutscher hätte der Morgen nicht sein können. Nicht in der „Wagennummer 8“ gab es den Brühkaffee, nicht in „dem Zug mit der Nummer 8“ oder „in der Mitte des Zuges“, nein. Eine Ordnungsnummer muss es gleich sein.

Das beruhigt den Deutschen, denn Ordnung muss sein. Eine Ordnungsnummer (und eine gerade noch dazu) mit frischem Brühkaffee. Gott sei Dank, alles geht seinen gewohnten Gang - wäre da nicht das Wörtchen Apropos gewesen, das so nicht im Linguistik-Skript für Zugbegleiter zu finden ist. Nicht auszudenken, wenn es am Ende noch Espresso in der Nummer 7 gäbe. Nein. Brühkaffee im Wagen mit der Ordnungsnummer 8. Es ist schon einschläfernd überhaupt darüber nachzudenken, ob da noch ein Pflänzchen Leidenschaft aus der Kaffeebohne hervorkriechen könnte oder ob es lieber gleich – im Zuge der Ordnung – in der Bohne (mit der Ordnungsnummer 2) verbleibt.


Jetzt ist mir das Kichern vergangen. Freude über das Außergewöhnliche, das Mutige schlägt um in Frust und Depression über das Gewöhnliche, das Langweilige. Ich will RAUS aus diesem Schwarzweißhellblau, kreischt es in mir. Ich trotte zur Arbeit. Schwarzweißhellblau, schwarzweißhellblau… aber der badische Schaffner, der hat es heute geschafft; „Aprospos 8!“, pfeifft es mir wieder durch den Kopf. Da hat er gehörig Unordnung in die sonst so überstringente Ansage gebracht. Apropos Unordnung, denke ich im Büro angelangt. Ich müsste mal wieder meinen Schreibtisch aufräumen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen